„Mörderin“ und „Leichenschau“ – Zulässige Meinungsäußerung?
„Mörderin“, „Leichenschau“ und „Kadaverschau“ – Zulässige Meinungsäußerung?
Der Hintergrund: Die Influencerin Tessa Bergmeier, die bekannt wurde durch ihre Teilnahme bei Heidi Klums Format „Germany’s next Topmodel“, kritisierte auf Instagram die Designerin Liz Malraux aus Hamburg dafür, dass diese für ihre Mode Leder verarbeite. Im Zuge dessen bezeichnete die Influencerin diese unter anderem als „Mörderin“, ihre Shows seien „Leichenschauen“ und „Kadaverschauen“. Malraux mahnte Bergmeier daraufhin ab, da sie sich in ihrem Persönlichkeitsrecht verletzt sah und forderte sie u.a. zur Unterlassung auf.
Die Entscheidung: Das Landgericht Hamburg (Beschl. v. 12. April 2023, Az. 324 O 96/23) wies den Antrag der Designerin auf Unterlassung der dargestellten Äußerungen ab und ordnete die Bezeichnungen zwar als scharfe Kritik ein, die aber trotzdem, vor allem im Hinblick auf die allgegenwärtige Debatte über die Verwendung von Leder für Mode, als zulässige Meinungsäußerung anzusehen sei.
Doch warum? Die Meinungsfreiheit ist ein Grundrecht (Art. 5 Abs. 1 GG). Eine Meinung zeichnet sich durch die Elemente der Stellungnahme, des Dafürhaltens und des Meinens aus. Das Grundrecht gilt jedoch nicht vorbehaltlos, sondern findet seine Schranken in den allgemeinen Gesetzen, zum Beispiel in § 185 StGB, der Beleidigung. Zulässige Meinungsäußerungen sind daher stets unter Berücksichtigung von Anlass und Kontext der Äußerung von unzulässiger Schmähkritik abzugrenzen. Das heißt, die Äußerung darf nicht jeden sachlichen Bezug vermissen lassen. Es kommt also immer im Einzelfall darauf an, ob mit der Äußerung eine bloße Herabsetzung erreicht werden soll oder ob es sich um eine noch zulässige, wenn auch scharfe Kritik handelt.
Diese Abgrenzung ist nicht einfach und führt oft zu Ergebnissen, die nicht für Jeden, schon gar nicht für Laien, nachvollziehbar sind.
- Auch interessant & brandaktuell: Der Fall Lindemann
Eine weitere Entscheidung des LG Hamburg: Mit Beschluss vom 24. Juli 2023 (Az. 324 O 264/23) untersagte das Gericht einer deutschen YouTuberin vorläufig acht Passagen in ihrem millionenfach geklickten YouTube-Video „Was wirklich bei Rammstein Afterpartys passiert“. Unter anderem stufte das Gericht Aussagen der YouTuberin über „Pädophilie“ und „Missbrauch“ durch Lindemann als unzulässige Meinungsäußerung ein. Die Begründung: Es fehle an „Anknüpfungstatsachen“, einfacher gesagt, es fehle an „Belegen“ für diese Aussagen, im einstweiligen Rechtsschutz spricht man von „Glaubhaftmachungen“. Hier spielt die Abgrenzung einer Meinung zu einer Tatsachenbehauptung eine Rolle, eine Tatsachenbehauptung ist dem Beweis zugänglich, es kann also überprüft werden, ob die Aussage wahr oder falsch ist.
Fazit: Ob Äußerungen noch von der grundrechtlich geschützten Meinungsfreiheit umfasst sind, oder als unzulässige Schmähkritik anzusehen sind, hängt vom Einzelfall und vor allem von der Gesamtschau ab. Pauschal ist keine Äußerung stets als zulässig oder unzulässig einzustufen. Zusätzlich ergeben sich weitere Abgrenzungsschwierigkeiten zu einer reinen Tatsachenbehauptung. Die Kanzlei Kötz Fusbahn ist sowohl im Straf- wie im Zivilrecht umfassend mit Fragen des Äußerungsrechts befasst. Sprechen Sie uns an! (Rechtsanwältin Jana Bergmann, Kanzlei Kötz Fusbahn).