Marke oder Modellbezeichnung?
Die Fragestellung: Ist jede Produktbezeichnung zugleich eine markenmäßige Kennzeichnung? Oder kann dem Vorwurf einer Markenverletzungen unter Umständen entgegengehalten werden, dass ein Zeichen nicht markenmäßig, sondern als Typen-, Modell- oder Sortenbezeichnung verwendet wird?
Ausgangslage: Nach der Rechtsprechung des BGH liegt eine Markenverletzungshandlung iSd § 14 Abs. 2 Markengesetz bei einer „markenmäßigen“ Verwendung vor, also wenn ein Zeichen „im Rahmen des Produktabsatzes jedenfalls auch der Unterscheidung der Waren oder Dienstleistungen eines Unternehmens von denen anderer Unternehmen dient“.
In bestimmten Warenbereichen ist aber die Verwendung von Wortzeichen, auch wenn diese nicht rein beschreibender Natur ist, nicht automatisch als markenmäßige Benutzung einzuordnen.
Jeder kennt die Nutzung von Wortzeichen im Modebereich auch als dekorative Nutzung. Auch im Arzneimittelbereich finden sich Wortzeichen auf der Verpackung, die nicht als Herkunftshinweis (Herstellerhinweis), sondern als Hinweis auf den Wirkstoff dienen. Hingegen ist ein Golf immer ein Volkswagen.
Die Entscheidung: Das Oberlandesgericht München hatte jetzt über einen Fall in der Möbelbranche zu entscheiden. Im Streit stand die Bezeichnung eines Sessels unter Verwendung der des Wortzeichens „Silence“, das das Klägerunternehmen aber als Marke für Möbel eingetragen hat (OLG München, Urteil vom 29.10.2020 – 29 U 5695/19).
Das Oberlandesgericht verweist in seiner Entscheidung auf zwei aktuelle Grundsatzurteile des BGH hin. In den im Modebereich ergangenen Entscheidungen hat der BGH zum einen klargestellt, dass im ersten Schritt immer die Kennzeichnungsgewohnheiten in dem maßgeblichen Warensektor zu ermitteln sind; sodann hat der BGH im zweiten Schritt Fallgruppen gebildet, in denen Modellbezeichnungen durchaus als Herkunftshinweis aufgefasst werden können. Davon ist zum einen immer bei bekannten Modellbezeichnungen auszugehen; zum anderen kann sich die markenmäßige Verwendung einer Modellbezeichnung aus der konkreten Gestaltung des Angebots ergeben.
Diese Rechtsprechung hat das Oberlandesgericht jetzt auf die Möbelbranche übertragen: In der Möbelbranche sei es üblich, dass jedes Modell, z.B. jedes Sesselmodell eine eigene Bezeichnung habe. Werde aber in der Möbelbranche nicht nur eine (ganze) Produktpalette, sondern jedes einzelne Möbelstück mit einem individuellen Modellnamen bezeichnet, sehe der Verkehr in diesen Modellnamen keinen Herkunftshinweis. Die Bezeichnung werde also nicht markenmäßig verwendet und ein Anspruch des Inhabers der eingetragenen Marke wegen einer Markenverletzung bestehe nicht.
Was bedeutet das: Einen Freibrief dafür, fremde Marken als Modell-, Typen- oder Sortenbezeichnung zu verwenden gibt es nicht. Insbesondere bekannte Bezeichnungen wirken auch herkunftskennzeichnend.
Dennoch sind die Besonderheiten der jeweiligen Branche genau zu prüfen und es lohnt sich, vor der Wahl einer Produktbezeichnung, spätestens aber nach Erhalt einer Abmahnung einen Fachanwalt für gewerblichen Rechtsschutz hinzuzuziehen.
Haben Sie eine markenmäßige Abmahnung erhalten? Sprechen Sie uns an!
Jens K. Fusbahn, Fachanwalt für gewerblichen Rechtsschutz, Fachanwalt für Urheber- und Medienrecht